Winterreifenpflicht und Versicherungsrecht

In Österreich besteht im Zeitrahmen 1. November bis 15. April eine witterungsabhängige Winterreifenpflicht für PKW und LKW bis 3,5 Tonnen. Dies bedeutet, dass solche Fahrzeuge bei winterlichen Fahrbedingungen (Schneefahrbahn, Schneematsch, Eisglätte) nur in Betrieb genommen werden dürfen, wenn an allen Rädern Winterreifen (Mindestprofiltiefe 4mm) angebracht sind.

Die Missachtung dieser Winterreifenpflicht kann schwerwiegende versicherungsrechtliche Konsequenzen haben. Die Verletzung der Winterreifenpflicht führt zu einer Gefahrenerhöhung, welche versicherungsrechtlich insbesonders dann relevant ist, wenn dieser Zustand eine gewisse Dauer hat. Wenn also erwiesen ist, dass ein Versicherungsnehmer über längere Zeit bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen sein Fahrzeug ohne Winterreifen in Betrieb genommen hat, so steht dem Versicherer grundsätzlich Leistungsfreiheit zu.

Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ist dies ein eingeschränktes Leistungsverweigerungsrecht. Dies bedeutet also, dass der Versicherer einem geschädigten Dritten zwar Schadenersatz leisten muss, der Versicherer kann sich aber am Versicherungsnehmer bis zu einem Betrag vom € 11.000,00 regressieren.

Anders verhält es sich in der Kfz-Kaskoversicherung. Wird von einem Versicherungsnehmer die Winterreifenpflicht nachweislich über einen längeren Zeitraum vernachlässigt, so kann der Versicherer in einem Schadensfall seine Leistungsfreiheit einwenden. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist für diesen Fall keine grobe Fahrlässigkeit erforderlich, sondern genügt einfache Fahrlässigkeit. Wenn der Versicherungsvertrag in Österreich abgeschlossen wurde und Österreichisches Recht gilt, besteht Leistungsfreiheit des Versicherers auch dann, wenn sich der Unfall im Ausland ereignet, wo keine generelle Winterreifenpflicht besteht. Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit ist natürlich immer, dass die Verletzung der Winterreifenpflicht kausal also ursächlich für den Schadensfall war.

Erstellt Oktober 2022

Haftungserleichterung für Waldbesitzer

Nach ständiger Rechtsprechung wird aus § 176 Abs.2 und Abs. 4 Forstgesetz 1975 abgeleitet, dass Waldeigentümer und Waldbewirtschafter eine Obsorgepflicht bei erkennbar gefährlichem Waldzustand entlang öffentlicher Straßen und Wege trifft. Mit seiner Entscheidung vom 30.06.2022, 9Ob28/22s, hat der Oberste Gerichtshof jetzt klargestellt, dass ein Waldbesitzer oder Waldbewirtschafter bezogen auf öffentliche Straßen und Wege nicht strenger haften kann als der Wegeerhalter selbst. Gem. § 1319a ABGB haftet ein Wegeerhalter jedoch nur für grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung eine auffallende Sorglosigkeit, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlichem Maße verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist.

Im konkreten Fall ist ein Baum im Böschungsbereich einer Straße umgestürzt und in der Folge auf die Straße gerutscht, was dann zu einem Motorradunfall geführt hat. In diesem Fall war aus dem äußeren Erscheinungsbild des Baumes nicht erkennbar, dass bereits eine Schädigung der Holzsubstanz vorliegt, obwohl der betreffende Baum eine Schädigung der Rinde aufgewiesen hat. Nach Einschätzung des Höchstgerichtes wäre bei genauer Überprüfung wohl eine Entfernung des Baumes zweckmäßig gewesen, aus dem äußeren Erscheinungsbild war aber die Schädigung der Holzsubstanz nicht zwingend unmittelbar erkennbar. Demnach wurde mangels grober Fahrlässigkeit eine Haftung des Waldbesitzers nicht angenommen. Grundsätzlich ist aber einem Waldbesitzer und Waldbewirtschafter anzuraten, entlang von öffentlichen Straßen und Wegen regelmäßig Sichtkontrollen auf schadhafte und gefährliche Bäume und Äste vorzunehmen und dies auch ausreichend, etwa durch Anfertigung von Protokollen, zu dokumentieren. Augenscheinlich gefährliche und schadhafte Bäume und Äste sind zu entfernen.

Erstellt 09.08.2022

NACHVERRECHNUNGSVORBEHALT gemäß. ÖNORM B2110

Mit Entscheidung vom 17.02.2022, 90b76/21y hat sich der Oberste Gerichtshof neuerlich mit den Anforderungen an einen Nachverrechnungsvorbehalt gem. Punkt 8.4.2 der ÖNORM B2110 auseinandergesetzt. Zweck dieser Bestimmung ist grundsätzlich, den Auftraggeber einer Bauleistung nach Leistung einer vermeintlichen Schlusszahlung zeitnahe davon in Kenntnis zu setzen, welche Forderungen von Seiten des Auftragnehmers noch gegenüber ihm gestellt werden. Um diesem Zweck gerecht zu werden, genügt es nach der Meinung des OGH nicht, dass Rechnungskorrekturen generell beeinsprucht werden, etwa "Ihre Rechnungskorrekturen werden nicht akzeptiert", sondern hat der Auftragnehmer eine weitergehende Begründungspflicht. Es müssen also die einzelnen Rechnungspositionen, deren Korrektur nicht akzeptiert wird, angeführt werden und muss die Begründung auch in erkennbarer Weise den Standpunkt des Auftragnehmers enthalten. Diese Anforderungen dürfen aber auch nicht soweit überspannt werden, dass dadurch unnötige Hürden für die Nachforderung aufgebaut werden. Dies wird insbesonders dann, wenn Rechnungen eine Vielzahl von korrigierten Leistungspositionen enthalten, zu berücksichtigen sein. Generell hat der Oberste Gerichtshof auch mit dieser Entscheidung wiederum klargestellt, dass für die Frage, ob ein ausreichender Nachverrechnungsvorbehalt vorliegt, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Jedenfalls wird aber dem Auftragnehmer zugemutet, dass er innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt einer Schlusszahlung des Auftraggebers er seine Vorbehalte gegen Abzüge ausreichend individualisiert und nachvollziehbar anmeldet.

Klargestellt hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung auch, dass ein Nachverrechnungsvorbehalt grundsätzlich gegenüber dem Auftraggeber zu erheben ist. Ein Nachverrechnungsvorbehalt, welcher etwa gegenüber der örtlichen Bauaufsicht erhoben wurde, ist nur dann rechtswirksam, wenn ein ausreichendes Bevollmächtigungsverhältnis nachgewiesen ist oder zumindest ein ausreichender Anschein einer Bevollmächtigung vorliegt, wenn zum Beispiel der Auftraggeber seine örtliche Bauaufsicht damit beauftragt, Schlussrechnungsbesprechungen durchzuführen, Außerstreitstellungen vorzunehmen und solche auch abzuzeichnen. Um derartige Diskussionen auszuschalten, empfiehlt es sich, Schlussrechnungsvorbehalte generell direkt an den Auftraggeber zu erheben.

ÄNDERUNGEN IM GEWÄHRLEISTUNGSRECHT - VERBESSERUNG FÜR VERBRAUCHER

Ab 01.07.2021 soll ein neues Gewährleistungsrecht Verbesserungen für Verbraucher bringen.

Bislang gilt in den ersten 6 Monaten ab Kauf eines Produktes eine sogenannte Beweislastumkehr. In dieser Zeit hat der Verkäufer nachzuweisen, dass der aufgetretene Mangel nicht schon beim Kauf vorhanden war. Diese 6-monatige Frist soll kann auf ein Jahr ausgedehnt werden. Das hat zur Folge, dass ein Käufer ein Jahr lang Zeit hat, Mängel bei einem Produkt zu reklamieren, ohne nachweisen zu müssen, dass der Mangel schon beim Kauf gegeben war.

Eine weitere Erleichterung zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen bringt die Möglichkeit, seinen Anspruch auf Vertragsauflösung nicht mehr gerichtlich geltend machen zu müssen. Dies kann künftig auch durch bloße Erklärung erfolgen.

Die Gewährleistungsfrist endet im Allgemeinen bei beweglichen Sachen nach 2 Jahren ab Kauf. Nach diesem Zeitpunkt können bisher Ansprüche aus Gewährleistung nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden. Auch in diesem Punkt soll die neu gesetzliche Regelung dem Verbraucher insoweit zu Gute kommen, als er nach Ablauf der Gewährleistungsfrist noch 3 Monate Zeit hat seine Ansprüche einzuklagen.

VERSICHERUNGSSCHUTZ BEI DER DURCHSETZUNG REISERECHTLICHER ANSPRÜCHE

Seit im vergangenen Jahr pandemiebedingt bereits gebuchte und bezahlte Reisen nicht durchgeführt werden konnten, kämpfen viele Konsumenten noch darum, bereits bezahltes Geld zurück zu erlangen.

Fluglinien und Reiseveranstalter können oder wollen häufig auch ein Jahr später bereits bezahltes Geld nicht refundieren. Manche Verbraucher beabsichtigen ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, schreckten bisher aber davor zurück, weil Rechtsschutzversicherungen eine Deckung des Verfahrens ablehnten. Regelmäßig stützen sich die Versicherungen auf Bestimmungen in ihren Versicherungsbedingungen, die einen Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die im Zusammenhang mit hoheitsrechtlicher Anordnung entstehen und aufgrund einer Ausnahmesituation ausschließen. Unter Verweis auf diese o. ä. Klauseln lehnen sie eine Kostenübernahme ab.

Das OLG Wien hat in einer jüngsten Entscheidung diese Klausel für grob benachteiligend, intransparent und somit für rechtswidrig erklärt. Die Rechtsschutzversicherungen können daher mit ihrer bisherigen Begründung eine Kostendeckung für ein Verfahren zur Durchsetzung von reiserechtlichen Ansprüchen nicht mehr ablehnen.