Im Wald muss mit Bäumen gerechnet werden

In einer aktuellen Entscheidung (4 Ob 44/23h vom 28.03.2023) hat sich der Oberste Gerichtshof wieder einmal mit nachbarrechtlichen Ansprüchen befasst. Grundsätzlich kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstücks führen. Eine nur wesentliche Beeinträchtigung ist nach dieser Entscheidung des OGH nicht ausreichend.

Bei der Beurteilung ob, eine unzumutbare Situation vorliegt, ist im Einzelfall eine Interessensabwägung vorzunehmen. Neu hinzukommende Nachbarn müssen sich mit den, in einem bestimmten Gebiet vorherrschenden Immissionen, abfinden. Wer also ein Grundstück mitten im Wald erwirbt, kann sich nicht darauf berufen, dass durch die angrenzenden Bäume und das Wachstum dieser Bäume, sein Recht auf Licht beeinträchtigt wird. Vielmehr muss bei einem solchen Liegenschaftserwerb der Käufer von vornherein damit rechnen, dass im Wald Bäume wachsen. Dies muss er bei seiner Kaufentscheidung berücksichtigen. Im konkreten Fall hat eine Käuferin eine historische Burg mitten in einem Waldgebiet gekauft und wollte mit einer Unterlassungsklage erreichen, dass ein unbegrenztes Wachstum der angrenzenden Bäume unterbunden wird. Mit diesem Begehren war die Grundeigentümerin nicht erfolgreich.

Anders verhält es sich, wenn in einem gartenmäßig gestalteten Siedlungsgebiet, infolge mangelhafter Pflege, Bäume unkontrolliert wachsen und durch den Bestand von überhängenden Ästen und unbegrenzte waldwuchsartige Verwilderung angrenzende Grundstücke beeinträchtigt werden oder gar die Gefährdung von Personen besteht. In solchen Fällen ist ein Unterlassungsbegehren gegen den Wildwuchs von Bäumen sehr wohl erfolgsversprechend. Wiederum hat der Oberste Gerichtshof aber betont, dass derartige nachbarrechtliche Ansprüche immer im Einzelfall zu beurteilen sind und demnach der gerichtlichen Beurteilung ein gewisser Ermessensspielraum zukommt.

Erstellt Mai 2023

Zuteilung von Haustieren nach einer Ehescheidung

Ein erbittert geführter Rechtsstreit zwischen zwei geschiedenen Eheleuten um die nacheheliche Zuteilung des Katers F. hat kürzlich den Obersten Gerichtshof auf den Plan gerufen. Durch eine Entscheidung vom 27.01.2023, 1 Ob 254/22t hat der Oberste Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung zur nachehelichen Zuteilung von Haustieren getroffen. Im Anlass begehrte der geschiedene Mann bei Gericht die Herausgabe des Katers F., weil die geschiedene Frau im Zuge des Ehescheidungsverfahrens den Kater F. heimlich aus der Ehewohnung in ihre neue Wohnung verbracht hatte. Der Mann argumentierte damit, dass er zum Kater F. eine wesentlich stärkere gefühlsmäßige Bindung hätte, als seine geschiedene Frau. Der Entzug der Katze wurde von ihm als tierschutzrechtlich bedenklich eingestuft.

Die geschiedene Frau wiederum argumentierte, dass der Kater F. für sie als Ersatz für eine verstorbene, in die Ehe eingebrachte Katze angeschafft worden ist. Sie hätte sich alleine um den Kater gekümmert und habe zu diesem eine enge emotionale Bindung aufgebaut. Sie wäre daher wesentlich besser als der Mann in der Lage, sich zukünftig um den Kater F. zu kümmern.

Der Oberste Gerichtshof hat zunächst ausgesprochen, dass Haustiere grundsätzlich einer nachehelichen Aufteilung im Sinne des § 81 Ehegesetz unterliegen.

Anders als bei der Aufteilung von sonstigen Vermögenswerten ist bei Haustieren keine wirtschaftliche Betrachtungsweise anzusetzen, es steht die gefühlsmäßige Bindung der Ehegatten zu dem Haustier im Vordergrund. Entscheidend sei daher in einem derartigen Verfahren, Feststellungen dahingehend zu treffen, welcher der beiden Ehegatten eine intensivere Beziehung zu dem betreffenden Haustier aufgebaut hat. Diesem sei das Tier zuzuweisen. Dieser Grundsatz wird nur dann durchbrochen, wenn tierschutzrechtliche Gründe gegen eine solche Zuweisung sprechen. Auch eine wirksame Einigung oder Vereinbarung der Ehegatten über die nacheheliche Zuweisung eines Haustieres würde eine Entscheidung des Gerichtes ausschließen.

Das weite Argument der Frau, der Kater F. hätte zwischenzeitig in ihrer Wohnung eine intensive Beziehung zu einer anderen Katze aufgebaut, ob das der Oberste Gerichtshof als unbeachtlich eingestuft.

Erstellt am 31.05.2023

Winterreifenpflicht und Versicherungsrecht

In Österreich besteht im Zeitrahmen 1. November bis 15. April eine witterungsabhängige Winterreifenpflicht für PKW und LKW bis 3,5 Tonnen. Dies bedeutet, dass solche Fahrzeuge bei winterlichen Fahrbedingungen (Schneefahrbahn, Schneematsch, Eisglätte) nur in Betrieb genommen werden dürfen, wenn an allen Rädern Winterreifen (Mindestprofiltiefe 4mm) angebracht sind.

Die Missachtung dieser Winterreifenpflicht kann schwerwiegende versicherungsrechtliche Konsequenzen haben. Die Verletzung der Winterreifenpflicht führt zu einer Gefahrenerhöhung, welche versicherungsrechtlich insbesonders dann relevant ist, wenn dieser Zustand eine gewisse Dauer hat. Wenn also erwiesen ist, dass ein Versicherungsnehmer über längere Zeit bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen sein Fahrzeug ohne Winterreifen in Betrieb genommen hat, so steht dem Versicherer grundsätzlich Leistungsfreiheit zu.

Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ist dies ein eingeschränktes Leistungsverweigerungsrecht. Dies bedeutet also, dass der Versicherer einem geschädigten Dritten zwar Schadenersatz leisten muss, der Versicherer kann sich aber am Versicherungsnehmer bis zu einem Betrag vom € 11.000,00 regressieren.

Anders verhält es sich in der Kfz-Kaskoversicherung. Wird von einem Versicherungsnehmer die Winterreifenpflicht nachweislich über einen längeren Zeitraum vernachlässigt, so kann der Versicherer in einem Schadensfall seine Leistungsfreiheit einwenden. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist für diesen Fall keine grobe Fahrlässigkeit erforderlich, sondern genügt einfache Fahrlässigkeit. Wenn der Versicherungsvertrag in Österreich abgeschlossen wurde und Österreichisches Recht gilt, besteht Leistungsfreiheit des Versicherers auch dann, wenn sich der Unfall im Ausland ereignet, wo keine generelle Winterreifenpflicht besteht. Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit ist natürlich immer, dass die Verletzung der Winterreifenpflicht kausal also ursächlich für den Schadensfall war.

Erstellt Oktober 2022

Haftungserleichterung für Waldbesitzer

Nach ständiger Rechtsprechung wird aus § 176 Abs.2 und Abs. 4 Forstgesetz 1975 abgeleitet, dass Waldeigentümer und Waldbewirtschafter eine Obsorgepflicht bei erkennbar gefährlichem Waldzustand entlang öffentlicher Straßen und Wege trifft. Mit seiner Entscheidung vom 30.06.2022, 9Ob28/22s, hat der Oberste Gerichtshof jetzt klargestellt, dass ein Waldbesitzer oder Waldbewirtschafter bezogen auf öffentliche Straßen und Wege nicht strenger haften kann als der Wegeerhalter selbst. Gem. § 1319a ABGB haftet ein Wegeerhalter jedoch nur für grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung eine auffallende Sorglosigkeit, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlichem Maße verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist.

Im konkreten Fall ist ein Baum im Böschungsbereich einer Straße umgestürzt und in der Folge auf die Straße gerutscht, was dann zu einem Motorradunfall geführt hat. In diesem Fall war aus dem äußeren Erscheinungsbild des Baumes nicht erkennbar, dass bereits eine Schädigung der Holzsubstanz vorliegt, obwohl der betreffende Baum eine Schädigung der Rinde aufgewiesen hat. Nach Einschätzung des Höchstgerichtes wäre bei genauer Überprüfung wohl eine Entfernung des Baumes zweckmäßig gewesen, aus dem äußeren Erscheinungsbild war aber die Schädigung der Holzsubstanz nicht zwingend unmittelbar erkennbar. Demnach wurde mangels grober Fahrlässigkeit eine Haftung des Waldbesitzers nicht angenommen. Grundsätzlich ist aber einem Waldbesitzer und Waldbewirtschafter anzuraten, entlang von öffentlichen Straßen und Wegen regelmäßig Sichtkontrollen auf schadhafte und gefährliche Bäume und Äste vorzunehmen und dies auch ausreichend, etwa durch Anfertigung von Protokollen, zu dokumentieren. Augenscheinlich gefährliche und schadhafte Bäume und Äste sind zu entfernen.

Erstellt 09.08.2022

NACHVERRECHNUNGSVORBEHALT gemäß. ÖNORM B2110

Mit Entscheidung vom 17.02.2022, 90b76/21y hat sich der Oberste Gerichtshof neuerlich mit den Anforderungen an einen Nachverrechnungsvorbehalt gem. Punkt 8.4.2 der ÖNORM B2110 auseinandergesetzt. Zweck dieser Bestimmung ist grundsätzlich, den Auftraggeber einer Bauleistung nach Leistung einer vermeintlichen Schlusszahlung zeitnahe davon in Kenntnis zu setzen, welche Forderungen von Seiten des Auftragnehmers noch gegenüber ihm gestellt werden. Um diesem Zweck gerecht zu werden, genügt es nach der Meinung des OGH nicht, dass Rechnungskorrekturen generell beeinsprucht werden, etwa "Ihre Rechnungskorrekturen werden nicht akzeptiert", sondern hat der Auftragnehmer eine weitergehende Begründungspflicht. Es müssen also die einzelnen Rechnungspositionen, deren Korrektur nicht akzeptiert wird, angeführt werden und muss die Begründung auch in erkennbarer Weise den Standpunkt des Auftragnehmers enthalten. Diese Anforderungen dürfen aber auch nicht soweit überspannt werden, dass dadurch unnötige Hürden für die Nachforderung aufgebaut werden. Dies wird insbesonders dann, wenn Rechnungen eine Vielzahl von korrigierten Leistungspositionen enthalten, zu berücksichtigen sein. Generell hat der Oberste Gerichtshof auch mit dieser Entscheidung wiederum klargestellt, dass für die Frage, ob ein ausreichender Nachverrechnungsvorbehalt vorliegt, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Jedenfalls wird aber dem Auftragnehmer zugemutet, dass er innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt einer Schlusszahlung des Auftraggebers er seine Vorbehalte gegen Abzüge ausreichend individualisiert und nachvollziehbar anmeldet.

Klargestellt hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung auch, dass ein Nachverrechnungsvorbehalt grundsätzlich gegenüber dem Auftraggeber zu erheben ist. Ein Nachverrechnungsvorbehalt, welcher etwa gegenüber der örtlichen Bauaufsicht erhoben wurde, ist nur dann rechtswirksam, wenn ein ausreichendes Bevollmächtigungsverhältnis nachgewiesen ist oder zumindest ein ausreichender Anschein einer Bevollmächtigung vorliegt, wenn zum Beispiel der Auftraggeber seine örtliche Bauaufsicht damit beauftragt, Schlussrechnungsbesprechungen durchzuführen, Außerstreitstellungen vorzunehmen und solche auch abzuzeichnen. Um derartige Diskussionen auszuschalten, empfiehlt es sich, Schlussrechnungsvorbehalte generell direkt an den Auftraggeber zu erheben.